Ich habe mir zu dieser Stunde ganz schöne viele Überlegungen gemacht, die ich hier festhalten möchte. Als einer von vielen bin ich in die Stunde gekommen und habe gesagt "Zeichnen, nein das kann ich nicht. Ich bin ein hoffnungsloser Fall!". Dass es bei Visual Facilitating gar nicht auf Zeichnen ankommt hab ich dann schnell selbst gemerkt. Es geht primär um Selbstvertrauen und einige simple Regeln. Schwungvolles Zeichnen, hier und dort eine Schattierung, da ein bisschen Farbe und einfach mal mutig drauflos kritzeln und das Ergebnis ist schnell ganz zufriedenstellen!
Leider gehen solche gestalterischen Fähigkeiten und die damit verbundene Kreativität im Laufe des Lebens "verloren". Dies zeigt eine Studie von George Land, bei der er 1600 fünfjährige Kinder auf Kreativität testete. Das Ergebnis: 98% der Kinder kamen in die Kategorie: Hochgradig kreativ! Das tolle an der Studie ist, es ist eine Langzeitstudie. Fünf Jahre später, im Alter von 10 Jahren, waren noch 30% der Getesteten hochgradig kreativ. Wiederum 5 Jahre später waren noch 12% in dieser Kategorie. Eine Vergleichsuntersuchung mit 280'000 Erwachsenen zeigte, 2% sind im Erwachsenenalter noch hochgradig kreativ! Was lernen wir daraus? Im Laufe des Lebens wird Kreativität abtrainiert, verloren, vergessen, unterdrückt oder vernachlässigt!
Dabei ist laut Ken Robinson (ein britischer Autor und ein international geachteter Berater in der Gesellschaftsentwicklung) Kreativität als Unterrichtsgegenstand an Schulen ebenso wichtig, wie Lesen und Schreiben. Dem stimmen auch andere zu; so wurde im Jahr 2010 von 1600 CEO's aus 60 Ländern und 33 Industrien Kreativität als die wichtigste Führungsqualität bezeichnet, um in einer dynamischeren, unsichereren und komplexeren Welt zu agieren.
Ziel unserers Bildungssystems sollte es darum sein, Kreativität zu fördern und zu nähren. Stattdessen wird sie untergraben. Oft wird an der Schule vermittelt, dass es genau eine richtige Lösung gibt, dass diese der Lehrer weiss, und dass die Schüler dies auswendig lernen sollen. Ken Robinson sagt: Stattdessen sollte Schule Dinge wie divergentes Denken fördern. Divergentes Denken ist eine essentielle Kapazität für Kreativität. Divergentes Denken bedeutet, sich offen, unsystematisch und experimentierfreudig mit einem Thema oder Problem zu beschäftigen. Divergentes Denken ist nicht linear, es lässt viele Antworten zu, statt nur eine und es lässt viele Wege offen, eine Frage zu interpretieren. Nur wenn Schulunterricht vielfältig (visuell, kinästhetisch, abstrakt), dynamisch (interaktiv) und individuell (Entdeckung von Talenten) ist, werden alle Aspekte der menschlichen Intelligenz entsprechend gewürdigt. Nur so ist es möglich, Kreativität - den Prozess, originelle Ideen von Bedeutung zu haben - zu fördern, zu nähren und zu stärken.
Siehe dazu auch den amüsanten und wertvollen TED-Talk von Ken Robinson aus dem Jahr 2006:
Ken Robinson's TED-Talk vom April 2013 folgend möchte ich mir für meine zukünftige Lehrertätigkeit drei Prinzipien merken:
- Menschen sind von Natur aus verschieden,
- Menschen sind von Natur aus neugierig und
- Menschen sind von Natur aus kreativ.
- auf Vielfalt eingehen und Standardisierung ablegen. Dabei ist der aktuelle Fokus auf die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) kritisch zu hinterfragen (siehe dazu auch diesen wertvollen Blog-Eintrag von Rudolf Künzli).
- Neugier stimulieren und provozieren sowie Lernende bei ihrem Lernprozess begleiten. Der Hauptfokus soll auf Unterrichten und Lernen liegen und nicht auf Testen.
- kreative Kräfte in Lernenden wecken und entwickeln.
Hey Adi. Jetzt kam ich endlich dazu deinen Eintrag zu lesen :-) Frustrierend finde ich die Aussicht, dass es wohl Jahre dauern wird, bis man nahmhafte Veränderungen durchgesetzt hat. Unter anderem will die Industrie Zahlen, an denen sie Leistung messen kann und eine möglichst gute Kontrolle der 'Qualität' von Schulabgängern. Individualität zu fördern, Kreativität Raum zu geben ist halt auch eher eine aufwendige Sache.
AntwortenLöschenDa es letztlich (leider) immer um Geld geht (wieviel Mehrwert produzieren wir mit unserem Bildungssystem), die SuS und anderen Menschen als Kapital gesehen werden und Geld das einzige Machtwort ist, wenn es um Investitionen in Menschen geht, um die Rechtfertigung, warum man etwas Bestehendes verändern sollte, so ahne ich, dass das Bildungssystem als Ganzes nur sehr langsam (wenn überhaupt) verändert wird.
Das mag wohl pessimistisch erscheinen, jedoch ist es faszinierend, dass vor allem in Situationen, in denen wenig Mittel und Strukturierung von Aussen vorgegeben ist, Freiheit für eine Revolution entsteht. Unser System ist viel zu gut, als dass man das Risiko eingehen würde, es konsequent umzukrempeln. In Deutschland hatten sie ja 2010 die Möglichkeit mit der Bildungsreform, revolutionär war das jedoch nicht. Zum Glück stirbt die Hoffnung zuletzt. In der Schweiz müsste man einfach eine negativ formulierte Initiative starten, wenn dann alle Schweizer dagegen sind, hat man sein Ziel erreicht ;-)
Hallo Adrian
AntwortenLöschenIch finde deinen Blogpost zur kreativen Revolution sehr spannend. Ich machte mir zu Beginn der ersten Stunde auch einige Gedanken darüber, was mich jetzt genau bei diesem Visual Facilitating erwarten würde, denn ich bin überhaupt kein Zeichner und konnte mir auch nicht wirklich vorstellen, ein eigenes Poster zu kreieren. Dies stellte sich dann aber auch für mich als durchaus machbar heraus.
Wenn ich überlege, ob man mich als kreativ bezeichnen würde, dann müsste ich dies wohl eher verneinen. Jedoch stellt sich für mich die Frage, was den überhaupt unter "kreativ sein" verstanden werden kann. Bezieht sich das vorwiegend auf künstlerische Aspekte oder kann man in allen möglichen alltäglichen Situtation kreativ sein? Wenn ich bspw. auf dem Fussballfeld in einer Situation bin, aus der sich die meisten Spieler nicht mehr befreien könnten, ich jedoch in der Lage bin, mich durch einen unerwarteten Trick von den Gegenspielern zu lösen, habe ich dann auch kreativ gehandelt? Du siehst, ich weiss zwar grundsätzlich was Kreativität ist, ich kann sie jedoch nicht genau beschreiben.
Bei der von dir erwähnten Langzeitstudie wurde gemessen, wie kreativ die Menschen sind. Sie kam zum Schluss, dass in einem gewissen Alter nur noch ein sehr kleiner Teil hochgradig kreativ ist. Da stellt sich für mich die Frage, wie denn diese Kreativität genau gemessen wurde. Was wurde dort unter Kreativität verstanden?
Auch wenn es mir schwer fällt, Kreativität genau zu fassen, so bin ich absolut derselben Ansicht wie du, wenn es um die Gestaltung des Unterrichts anbelangt. Der Unterricht sollte die Kreativität der Schüler fördern, er sollte vielfältig, dynamisch und individuell sein, Neugier stimulieren und provozieren.
Gruss Manuel